28. Februar 2022

Historische Bundestagssitzung und Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik

Kiesewetter spricht am Rande mit dem Botschafter der Ukraine Dr. Andrij Melnyk

Es war eine historische Sondersitzung des Bundestages, bei der am Sonntag Bundeskanzler Scholz eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt hat.

Roderich Kiesewetter, Sprecher für Krisenprävention und Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss kommentiert: „Der völkerrechtswidrige militärische Angriff Russlands auf die Ukraine ist ein Zäsur in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik. Deutschland ist nun nach jahrelangen Mahnungen endlich bereit, hier eine Neuausrichtung anzugehen und die historische Bedrohung für Frieden und Sicherheit abseits von parteipolitischen Ideologien und Überzeugungen anzugehen. Das eindeutige Bekenntnis des Bundeskanzlers zur Ausstattung und Modernisierung der Bundeswehr und zur Einhaltung der Bündnisverpflichtungen wie des 2-Prozent-Ziels der NATO zeigt die historische Lage, die Disruption, die stattgefunden hat.

Zudem hat Bundeskanzler Scholz ein überfälliges klares Bekenntnis zur nuklearen Teilhabe bis hin zur Beschaffungsentscheidung für die Tornado-Nachfolge abgegeben, das ist ein bis weit in das Bündnis hinein sehr wichtiges Signal!

Das von Bundeskanzler Scholz geplante Sondervermögen für die Bundeswehr halte ich für eine starke politische Entscheidung, die die Sicherheitspolitik in Deutschland auf neue Grundlagen stellen wird. Wenn dies tatsächlich im Grundgesetz verankert wird, ist dies umso besser, denn es zeigt eindeutig, dass Deutschland bereit ist, für Freiheit, Frieden und unsere Werte in Europa die notwendige Verantwortung zu tragen. Der Preis der Freiheit muss uns das wert sein. Insgesamt muss dennoch in die Betrachtung miteinfließen, dass zur inneren und äußeren Sicherheit auch soziale und wirtschaftliche Sicherheit gehören. Es muss deshalb klar sein, dass wir künftig noch verstärkter Prioritäten setzen müssen und effizienter haushalten, wenn wir gleichzeitig keine dauerhafte Neuverschuldung haben wollen. Ganz konkret muss beim geplanten Sondervermögen für die Bundeswehr neben absoluter Verbindlichkeit, einer klaren Priorisierung und Lagefeststellung die künftigen Fähigkeiten an eine klar definierte Sicherheitsstrategie und Interessenfestlegung gekoppelt sein. Es gilt hier, die Bundeswehr in ihrer Struktur zu modernisieren, in ihrer Grundausstattung und ihren Fähigkeiten an Bündnis- und Landesverteidigung auszurichten und die volle Einsatzbereitschaft herzustellen. Zudem müssen dringend die Genehmigungs- und Beschaffungsstrukturen modernisiert werden, um mittels besserer Prozesse effizienter und strategischer vorzugehen. Die bisherige Fragmentierung der Zuständigkeiten zwischen Ministerien erschwert die effektive Ausrüstung der Streitkräfte, es gibt bislang keine Beschaffungsstrategie, sondern kurzfristige Finanzierungen, was zu fehlender Planungssicherheit führt. Die Rüstungspolitik muss deshalb Teil der nationalen Sicherheitsstrategie sein, um das geplante Sondervermögen effektiv und strategisch klug einzusetzen. Wenn dies zwingend zweckgebunden im Grundgesetz verankert wird, würde dies auch der notwendigen Planungssicherheit zugutekommen. Wir brauchen ein neues Sicherheitsbewusstsein in der Bevölkerung und eine strategische Kultur in der Politik. Die Verankerung im Grundgesetz sehe ich deshalb zunächst positiv. Es muss aber klar sein, und das gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass wir dann mehr priorisieren müssen und uns nicht länger Wohlstandsgeschenke leisten können, wenn wir langfristig gleichzeitig einen ausgeglichenen Haushalt im Bund anstreben.

Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung ihre Haltung in Bezug auf Waffenlieferungen für die Ukraine geändert hat und hier den Aufforderungen unserer Bevölkerung wie auch unserer Partner gefolgt ist. Sicher wäre es im Nachhinein hilfreich gewesen, schon vor dem militärischen und völkerrechtswidrigen Angriff Russlands die Ukraine militärisch zu unterstützen und sowohl die Abschreckungswirkung als auch die Widerstandskraft zu stärken. Dennoch ist es jetzt absolut richtig und notwendig, militärische Unterstützung zu leisten. Deshalb unterstütze ich gemeinsam mit der Union diese Linie und die einheitliche Reaktion des Westens. Neben den jetzt angekündigten Lieferungen von 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ sehe ich noch weitere Möglichkeiten militärisch zu unterstützen. Neben Funkstörern/Jammern, Schutzausrüstung und weiteren Stinger-Raketen sollte auch über bodengestützte Flugabwehrraketensysteme wie Patriot nachgedacht werden. Neben der militärischen Unterstützung ist selbstverständlich auch weiterhin insbesondere zivile wie humanitäre Unterstützung wichtig und besonders die Aufnahmebereitschaft Deutschlands von Geflüchteten. Das menschliche Leid, das die Ukraine erfährt und der beeindruckende Mut der ukrainischen Bevölkerung, müssen uns weiterhin antreiben, alle uns zur Verfügung stehende Mittel (militärisch, zivil wie auch wirtschaftlich) einzusetzen. Gerade auch bei den wirtschaftlichen Maßnahmen sehe ich hierbei noch Handlungsspielraum, was Gas- und Öllieferungen betrifft.“

Die CDU/CSU-Fraktion hatte die Bundesregierung mit einem gemeinsamen Antrag in ihrer Positionierung unterstützt. „Bei dieser historischen Zäsur geht es nicht um parteipolitisches Klein-Klein, sondern konkret um die Sicherheit und Zukunft Deutschlands und Europas. Als Demokraten stehen wir zusammen, das wurde auch bei der Sondersitzung des Bundestags deutlich. Besonders beeindruckend war der langanhaltende Applaus für den Botschafter der Ukraine, Dr. Andrij Melnyk, der stellvertretend den tapferen Soldatinnen und Soldaten und Freiwilligen galt, die in der Ukraine kämpfen. Ich habe die Gelegenheit genutzt, um mich mit dem Botschafter über die weiteren Schritte und mögliche Unterstützung zu unterhalten, sowie eine aktuelle Lageeinschätzung zu erhalten“ so Kiesewetter abschließend.

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