31. Oktober 2022

Dienstreise nach Kyjw

Terror und Dunkelheit, aber eine starke Bevölkerung, die für Freiheit kämpft
Schutzraum
Vor dem ukrainischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten
Zerstörtes Wohngebäude in Kyjw / Angriffe seit 10.10.
Stv. Leiter des Präsidialbüros Andriy Sybiha
Abgeordnete des ukrainischen Parlaments v.l.n.r.: Mariia Ionova („Europäische Solidarität“), Inna Sovsun („Holos“, Iegor Cherniev („Sluga Narodu“)
Rostyslav Ogryzko, dLeiter des 1. Territorialen Departements im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten

Dienstreise nach Kyjw als Sprecher für Krisenprävention der CDU/CSU-Fraktion am 23. und 24. Oktober 

„In den letzten Wochen wurden in der Ukraine 30-40 Prozent der Energiewerke durch Angriffe Russlands vorrangig mit iranischen Kamikaze-Drohnen zerstört. Als ich deshalb nach 26-stündiger Zugfahrt in Kyjw ankam, war die Stadt dunkel, aber belebt“, berichtet der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter von seiner Dienstreise vergangene Woche. 

„Die Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, so viel Strom zu sparen wie möglich, um die verbliebenen Netze nicht zu überlasten. Dennoch waren viele Menschen auf den Straßen. Die Bürger versuchen die staatliche Infrastruktur so weit wie möglich zu erhalten oder rasch wiederaufzubauen, man spürt hier eine unglaublich starke Zivilbevölkerung, einen unglaublichen Mut und Willen. Unterbrochen ist das tägliche Leben durch stundenlangen, manchmal tageweisen Luftalarm, der die Bürger in Luftschutzkeller, Bunker oder U-Bahnstationen zwingt. Während meiner Dienstreise vergangene Woche hatten wir einmal einen solchen Alarm, der sich durch laute Sirenen bemerkbar macht, aber auch aus allen Handys tönt, denn die Ukraine ist digital weit vorangeschritten und hat natürlich bereits eine App entwickelt, die den Luftalarm anzeigt. Ein Gesprächspartner sagte mir, die Ukrainer nehmen das Leben ohne Strom und Heizung  in Kauf, denn jeder wisse hier, was die Alternative wäre. Die Furcht vor einem russischen Joch ist angesichts der unbeschreibbaren russischen Kriegsverbrechen gewaltig! Deshalb wissen die Ukrainer, wofür sie kämpfen, für Freiheit. Und da nehmen die Leute den Stromausfall hin.“

Als Sprecher für Krisenprävention der CDU/CSU-Fraktion reiste Kiesewetter am 23. und 24. Oktober nach Kyjw, um sich u.a. darüber auszutauschen, wie die Ukraine besser vor Drohnenangriffen geschützt werden kann und wie möglichst rasch zerstörte kritische Infrastruktur wie Wasser-, Strom- und Energiewerke und -Leitungen wiederhergestellt werden können.

Kiesewetter: „Dies ist deshalb auch in unserem deutschen Interesse, weil die gezielte Zerstörung von kritischer Infrastruktur durch Russland darauf abzielt, die Staatlichkeit zu zerstören und damit die Bevölkerung durch permanenten Terror aus der Luft und Zerstörungen lebensnotwendiger Strukturen zur Flucht zu zwingen. Dann würden nicht eine Million Ukrainer nach Deutschland kommen, sondern mehrere. In den vergangenen drei Monaten gab es ca. 300 Angriffe auf militärische Ziele in der Ukraine, aber ca. 20.000 auf zivile Infrastruktur, Kraftwerke, Wohngebäude, Krankenhäuser aber auch Spielplätze. Daran lässt sich erkennen, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Bevölkerung führt. Konventionell militärisch kann Russland nicht gewinnen, deshalb weitet Putin seine hybride Kriegsführung aus und verbreitet Angst und Schrecken.

Bei meinen Gesprächen u.a. mit dem stellvertretenden Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andriy Sybiha, ging es deshalb zuvorderst um die Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine. Große Dankbarkeit gibt es für das deutsche Flugabwehrsystem Iris-T, das viele Luftangriffe erfolgreich abfangen konnte. Allerdings neigt sich die Munition dem Ende zu, das teure System muss eine Unmenge an Raketen abwehren und sollte nicht gegen iranische Billig-Drohnen "verschwendet" werden. Deshalb war die dringende Bitte, hier auch Munition nachzuliefern, wie auch für den Gepard-Flugabwehrpanzer, der sehr effektiv bei der Drohnenabwehr ist.

Klar wurde in den Gesprächen u.a. mit dem stv. Verteidigungsminister, Oleksandr Polishchuk und Rostyslav Ogryzko, dem Leiter des 1. Territorialen Departements im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der Ukraine, dass die Ukraine dringend geschützten Kampfraum in Form von Kampf- und Schützenpanzern benötigt, um das Momentum der Erfolge bei den Befreiungen besetzter Gebiete zu nutzen und insbesondere im Winter befreite Gebiete halten und weitere befreien zu können. Das geht nur mit Schützen- und Kampfpanzern und war deshalb die einhellige Bitte, die von Deutschland als selbsternannter Führungsnation Europas seit Monaten weder erhört noch erfüllt wird. Zudem wären gerade MANPADS und STRELA-Flugabwehrraketen erwünscht, um die Kosten-Nutzen-Relation und Effektivität bei der Drohnenabwehr zu erhöhen. Ich sagte weitere Unterstützung meiner Fraktion zu, die militärische, finanzielle und zivile Hilfe mit Nachdruck von der Bundesregierung einzufordern und auf die Umsetzung des gemeinsamen überfraktionellen Bundestagsbeschlusses vom 28. April zu drängen. Ferner wäre ein wichtiges Zeichen, einen Gipfel mit der deutschen Sicherheitsindustrie durchzuführen, um auszuloten, wie rasch Munition und Systeme nachproduziert und geliefert werden können und um endlich die Produktionskapazitäten in Deutschland spürbar zu erhöhen bzw. in Gang zu bringen.
Der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes Andriy Sybiha betonte zudem, dass eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Bemühungen der Ukraine im Kampf gegen den Aggressor die Wiederbelebung der Wirtschaft sei. In diesem Zusammenhang sprachen wir auch über die Erwartungen und Möglichkeiten der internationalen Expertenkonferenz zum Wiederaufbau, die einen Tag später am 25. Oktober in Berlin stattfand.

Mit den Abgeordnetenkollegen aus dem ukrainischen Parlament: Mariia Ionova  („Europäische Solidarität“), Iegor Cherniev („Sluga Narodu“), Inna Sovsun („Holos“) tauschte ich mich ferner über die Problematik aus, dass weiterhin auch deutsche Firmen zum Teil über Umwege Produkte an Russland liefern und die Notwendigkeit, noch mehr im Bereich der Katastrophenhilfe zu tun, z.B. weitere Notstromaggregate und Netzersatzanlagen zu liefern, damit die ukrainische Bevölkerung besser durch den Winter kommt. Die Stärke der Abgeordneten, die selbst Familie im Einsatz und Freunde oder Bekannte durch den Angriffskrieg verloren haben, hat mich tief beeindruckt. Der Austausch gerade in dieser schwierigen Zeit mit permanenten Drohnenangriffen, Drohungen mit weiteren Eskalationen durch Russland und Zerstörungen, ist wichtig, auch um der ukrainischen Bevölkerung und Regierung die politische Unterstützung zuzusichern. Gerade auch als Oppositionspartei, ist mir dies wichtig!“

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